FDPVerfassungsreferendum

Sorgen vor der Wahl in der Türkei

Am Sonntag stimmt die Türkei über eine mögliche Verfassungsänderung abAm Sonntag stimmt die Türkei über eine mögliche Verfassungsänderung ab
13.04.2017

Michael Link leitet die OSZE-Wahlbeobachtermission in der Türkei. Ihr Zwischenbericht im Vorfeld des Verfassungsreferendums am Sonntag stellt etliche Probleme fest, unter anderem gewaltsame Zwischenfälle und Einschüchterungen gegen das Nein-Lager. "Während wir als Beobachter mit den türkischen Behörden sehr gut zusammenarbeiten, haben wir leider festgestellt, dass die Nein-Kampagne doch immer wieder Behinderungen ausgesetzt ist, und das ist sehr bedenklich", sagte er im Deutschlandfunk-Interview. EU-Parlamentsvize Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete diese Erkenntnisse als höchst besorgniserregend und warnte vor einer Aushöhlung der Demokratie.

Problematisch sei etwa die ungleiche Behandlung der Nein-Kampagne bei der Abhaltung öffentlicher Versammlungen, "von der einseitigen Medienberichterstattung ganz zu schweigen", erläuterte Link. "Wir haben auch genau aufgelistet, dass seit letzten Juli insgesamt 158 verschiedene Medienerzeugnisse, Zeitungen oder verschiedene Portale, geschlossen wurden. Und insgesamt mehrere tausend Journalisten, die jetzt arbeitslos oder sogar inhaftiert sind", betonte er.

HDP konnte keinen adäquaten Wahlkampf machen

Für die kurdischen Regionen sei außerdem problematisch, dass ihre entsandten Abgeordneten teilweise gar nicht mehr frei seien, so Link weiter. "Zurzeit sind 13 HDP-Abgeordnete und davon die beiden Vorsitzenden der Partei hinter Gittern", erklärte er. "Schon allein deshalb ist es für diese Partei, die einer der wesentlichen Träger der Nein-Kampagne ist, unmöglich, einen adäquaten Wahlkampf zu machen", fügte er im Gespräch mit der Welt hinzu. Dies sei das Hauptproblem, das im Zwischenbericht der OSZE-Beobachtermission angeprangert werde.

Link äußerte sich hoffnungsvoll, dass diese unabhängigen Berichte alle in der Türkei daran erinnern würden, "dass es Dinge gibt, die sich dringend wieder normalisieren müssen nach der Beendigung des Ausnahmezustandes". Er verdeutlichte: "Wir rufen die Türkei dazu auf, dass möglichst zügig die fundamentalen Grundrechte und Grundfreiheiten wiederhergestellt werden."

Die Türkei entfernt sich von den Grundwerten der EU

Auch Lambsdorff warnte, dass Erdogans Pläne, die Türkei in ein autoritäres Präsidialsystem zu verwandeln, ein dramatischer Rückschlag für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit darstellten. Die Freien Demokraten stünden weiterhin fest an der Seite der türkischen Zivilgesellschaft im Kampf für Bürger- und Menschenrechte in der Türkei. Er mahnte: "Die Gewaltenteilung wäre praktisch aufgehoben, wenn Erdogan wie ein Sultan Dekrete mit Gesetzeskraft verkünden könnte". Die "präsidialen Allmachtsfantasien" des türkischen Machthabers zeigten deutlich, wie weit sich das Land mittlerweile von den Grundwerten der Europäischen Union entfernt habe. Es sei deshalb "höchste Zeit, die unehrlichen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beenden und das Verhältnis zur dem Land auf eine neue Grundlage zu stellen", forderte Lambsdorff.

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